Das namhafte deutsche Kunstsammler-Ehepaar, Peter und Irene Ludwig wendeten sich ständig mit grossem Interesse zu Ungarn. Dies gilt auch für die von ihnen gegründete Stiftung. Ihr Vorstand dr. Brigitte Franzen war vor kurzem in Budapest, um einen neuen Vertrag mit der Ungarischen Universität für bildende Künste zu unterzeichnen, welcher die Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen bekräftigt und mit neuen Eelementen erweitert. Unser Interview entstand aus diesem Anlass.
- Der ursprüngliche Vertrag mit der Budapester Universität – damals noch Hochschule – wurde vor beinahe 30 Jahren noch von Peter Ludwig persönlich unterzeichnet. Was beinhaltete der damalige und was der neue Vertrag?
- Der alte Vertrag war der erste, den wir mit einer Hochschule abgeschlossen haben und nicht zufällig gerade in Ungarn, da dieses Land am Ende der 80-er Jahre ein sehr wichtiger Partner für Deutschland war – wobei das Ehepaar Ludwig in dieser Zeit schon der ganzen mittel- und osteuropäischen Region grosse Aufmerksamkeit widmete. Der damalige Vertrag gibt bis heute jedes Jahr zwei Budapester Studenten – bisher insgesamt 56 Studenten – die Möglichkeit für ausländischen Studienaufenthalt. Der neue Vertrag geht weiter: in der Zukunft bekommen jedes Jahr auch 2 Studenten der Doktorantenschule Forschungsstipendium und es kann jedes Jahr auch ein ausländischer Gastprofessor eingeladen werden – als erstes ist das der Fotograf Tobias Zielony. Peter und Irene Ludwig, falls sie heute noch leben würden, würden diesen neuen Vertrag mit Pioniercharakter mit grosser Freude unterstützen, da sie die wissenschaftliche Forschungaarbeit gleichrangig mit dem Sammeln hielten und aus diesem Grund die Universitäten genauso als Partner betrachteten, wie die Museen. Und warum entschieden wir uns erneut für Budapest? In erster Linie wegen des lebhaften geistigen Lebens an der Uni, der Gründlichkeit der Bildung und der Forschungsarbeit. Aber zum Beispiel auch das hohe Niveau der Restauratorenbildung war ein Argument für uns.
- Ihre Stiftung funktioniert in ihrer jetzigen Form seit 20 Jahren, das ist auch in der Welt der Kunst eine lange Zeit. Wie befolgen Sie die Änderungen der (Kunst)welt, wieweit beeinflussen diese Ihre Zielsetzungen und Aufgaben?
- Peter és Irene Ludwig sammelten immer das, was zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal Neues in die Kunst brachte – sie spielten zum Beispiel eine grosse Rolle in der europäischen Vorstellung und Akzeptanz des amerikanischen Pop-Art aber auch in der Etablierung der Kunst Mittel- und Osteuropas in Westeuropa. Diese Pionieranschauung versuchen wir auch heute geltend zu machen, wobei unsere Sammlung heute langsamer wächst als zu Lebzeit der Ludwigs. Unsere Finanzmittel werden heute sowohl für Neuanschaffungen benutzt – oft auf Anregung der zu unserem Netzwerk gehörenden Museen – als auch für Unterstützung von Ausstellungs- und Forschungsprojekten. Das letztere ist für mich eine Herzensangelegenheit. Wir haben ein fantastisches Archiv, seine gründliche Aufarbeitung beginnt erst jetzt und liefert fast wie auf Laufband Themen für wissenschaftliche Forschung. Kulturpolitische Fragen meiden wir nicht und verfolgen kritisch die Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten auf dem Kunstmarkt und im Kunstbetrieb.
- Wieweit kann das bis zum jetzigen Tag etablierte Netzwerk der Ludwig-Museen und der anderen Museen im engen Kontakt mit der Stiftung als endgültig betrachtet werden?
- Dieses Netzwerk wurde von den Ludwigs sehr bewusst aufgebaut. Alles begann mit der „Aachen-Köln Achse”. Aachen ist Irene’s Geburtsort, später gemeinsamer Wohnort von beiden, das Zentrum Ihres Wirkens; aus Köln machten sie ein echtes „Kunstmetropolis”. Ihre Arbeit bekam in den 70-er Jahren internationale Dimension; die Kunst der Welt rückte ins Zentrum Ihres Interesses, sowohl was die Kunst von früheren Jahrhunderten, als auch was die Gegenwartskunst anbelangt. Der Begriff der globalen Kunstszene existierte damals noch nicht.... Sie waren die ersten Sammler im Westen, welche die Reise nach Osten begannen, zuerst in Europa, aber später gar bis China, wobei sie geichzeitig auch Süd-Amerika für sich entdeckten. Diese Prioritäten widerspiegeln sich gut in dem inzwischen etablierten Netzwerk von mit uns verbundenen Museen. Aus diesem Grund sind zur Zeit keine Änderungen auf der Tagesordnung, aber natürlich ist es hier auch gültig, dass nichts ewig ist.
- Reagiert die Stiftung, und falls ja, in welcher Form auf die Entwicklungen ausserhalb der internationalen Kunstszene, zum Beispiel auf die globalen Probleme der Gegenwart?
- Wir sind in sieben Ländern aktiv, u.a. in Russland, in China, auf Kuba aber auch in Österreich, Ungarn und der Schweiz. Durch unsere Kontakte können wir die wichtigen Entwicklungen meist von der nächsten Nähe beobachten und können gegebenenfalls auch reagieren. Das wichstigste für uns ist die Unterstützung mit allen zu unserer Verfügung stehenden Mitteln derjenigen Künstler und sich mit Kunst beschäftigter Fachleute, welche ihren Standpunkt vor Ort in ihrer künstlerischen, wissenschaftlichen oder kuratorischen Sprache zum Ausdruck bringen können. Laut unseren Erfahrungen können wir so im jeden politischen Umfeld das meiste erreichen. In diesem Kontext ist auch unsere Zusammenarbeit mit der Budapester Universität für bildende Künste zu sehen. Die Ludwigs haben immer wieder betont, dass es – egal, in welchem Land sie sind – überall interessante, unterstützungswürdige Kunst gibt. Es ist gleichzeitig auch selbstverständlich, dass wir die kulturpolitischen Entwicklungen ständig beobachten, da die Mitglieder unseres Netzwerkes viele Berührungspunkte mit der Kulturpolitik ihres Landes haben.
- Halten Sie es für vorstellbar, dass die Gestaltung der Kulturpolitik eines Landes Ihre Stiftung zum Rückzug zwingt?
- Theoretisch schon. Falls wir zum Beispiel beobachten müssten, dass unser Name missbraucht und zu solchen Zwecken benutz wird, welche im Widerspruch zu unseren Zielen – also der Internationalität der Kunst und der internationalen Verständigung durch sie - stehen, sollten wir uns die Frage stellen ob wir bleiben oder gehen. Aber so weit kam es glücklicherweise bisher noch nie, die eventuellen Probleme konnten wir immer auf dem Verhandlungsweg lösen.
- Ich glaube, dass es auch im Zusammenhang mit dem Ludwig Museum in Budapest schon Fragen gab, wo sich die Stiftung zu Wort melden musste.
- Das ist in der Tat so. Wir konnten im Laufe der Vorbereitung der Entscheidungen unsere Meinung zum Ausdruck bringen und das haben wir auch getan. Wie man unsere Expertise bei solchen Fragen einbezieht, liegt wesentlich in der Hand der Museumsträger. Wir sind als Unterstützer der Kunst, der Museumsleute, als Förderer und als Leihgeber sehr daran interessiert zu erfahren, wie Zukunft gestaltet werden soll und was wir dazu beitragen können. Unsere Türe stehen weit offen für diejenigen, die unseren Rat schätzen und einbeziehen wollen. Wir haben es mit mit öffentlichen Institutionen zu tun und können und wollen ihre Autonomie nicht bezweifeln. Angesichts der Größenordnungen unseres Engagements erwarten wir aber eine offene Kommunikation. Bisher hat diese Haltung bei allen unseren Engagements gut funktioniert.
- Seitdem Sie in Ihrer heutigen Funktion arbeiten, sind Sie relativ regelmässig in Budapest und nahmen auch an der Eröffnung des ungarischen Pavillons auf der letzten Biennale in Venedig teil. Häufige Besuche können rein theoretisch erfreuliche und weniger erfreuliche Gründe haben....
- Ich versuche, die mit uns assoziierten Institutionen überall, nicht nur in Budapest, regelmässig zu besuchen, es ist aber tatsächlich so, dass ich öfter in Budapest bin. Aufgrund der Vereinbarung mit der Universität für bildende Künste und unserer Verbindung zum Ludwig Muzeum wird dies auch in der Zukunft so bleiben. Mein Interesse für Ungarn hat auch familiären Wurzeln: mein Vater als Wissenschaftler hatte schon in den 70-er Jahren sehr gute Arbeitskontakte zu seinen ungarischen Kollegen; zum ersten Mal war ich in Budapest, als ich noch ihn begleitete. Später studierte ich eine Zeit lang in Wien, und machte mehrmals Kurzvisite nach Budapest. Diese mitteleuropäische Kulturregion fühle ich sehr nah zu mir. Deswegen nutze ich gerne jede Gelegenheit, auch zum Beispiel die Biennale, um mehr über die hiesige Szene zu erfahren. Hier gibt es eine aufstrebende Galerienszene und sehr gute Künstler. Unsere Aktivität hängt aber eng auch damit zusammen, wie aktiv, wie initiativsreich die Mitglieder unseres Netzwerkes sind. Diese Aktivität ist im Fall von Budapest ziemlich relevant. Unsere Beziehung ist nich statisch, die Formalisierung von neuen Vorschlägen, Vorstellungen macht regelmässige Konsultationen notwendig. Es ist auch wichtig, das die zum Netzwerk gehörenden Museen nicht nur mit uns enge Kontakte pflegen, sondern auch mit einander, da auf diesem Wege, sozusagen „familienintern” auch viel gemacht werden kann, z. B. für die Stärkung der internationalen Wahrnehmung der zeitgenössischen Kunst der beteiligten Länder, u.a. Ungarn. In dieser Mission sind übrigens auch unsere, für die Studenten und Doktoranten der Budapester Universität angebotene Stipendien hilfreich; die Stipendiaten nicht nur bekommen etwas im Gastgeberland, sondern bringen auch etwas dorthin mit sich.
Die mittel- und osteuropäische Kunst wird von Leitern vieler westlichen Museen immer noch zu wenig wahrgenommen. Peter und Irene Ludwig traten dieser Auffassung schon vor Jahrzehnten entgegen, aber erst jetzt verbreitet sich in breiteren Kreisen die Anschauung, welche nicht nur Paris, London, New York oder Los Angeles vor den Augen hat, sondern auch andere Zentren und wir und die mit uns verbundenen Museen sollten im Nutzen dieser Chance eine Rolle spielen. Einige zu unserem Netzwerk gehörenden europäischen Museen – in Deutschland, Ungarn und Österreich – arbeiten schon in diesem Sinne. Gerade im europäischen Westen könnte hier aber noch mehr passieren.
- Wie sehen Sie die Rolle des Budapester Ludwig Museums in diesem Netzwerk?
- Wir bekommen von hier regelmässig neue Impulse, Informationen, Vorschläge und das ist sehr positiv und wichtig, weil das beste Bild darüber, was hier passiert, diejenigen haben, die hier leben und arbeiten. Die Ausstellungen sind fundiert erarbeitet, sehr aktuell und professionell präsentiert und bilden oft eine inhaltliche Brücke zwischen Ost und West, was viele neue Erkenntnisse bietet. Aber um ein konkretes Beispiel zu nennen: herausragend ist zum Beispiel die Aktivität, mit welcher das Budapester Ludwig Museum im Bereich der Aufbewahrung und Restaurierung der Werke aus dem Bereich der Medienkunst auf schöpferische Weise vorgeht. Es ist kein Zufall, dass die diesem Thema gewidmeten hiesigen, von uns auch unterstützten Programme im Jahre 2016 ernste internationale Aufmerksamkeit erweckt haben.
- Die Führung der Stiftung nimmt offensichtlich den Grossteil Ihrer Zeit und Energien in Anspruch. Bleibt daneben noch Zeit, um eigene Projekte zu realisieren, um Ausstellungen zu kurieren?
- Glücklicherweise muss ich auf diese Tätigkeit nicht ganz verzichten. Gerade bereite ich für die Ludwig Stiftung eine Ausstellung der deutschen Fotokünstlerin Annette Kelm vor. Und 2019 werde ich Kuratorin der Triennale in Fellbach bei Stuttgart sein.
Dr. Brigitte Franzen:
Nach Abschluss ihrer Studien im Bereich der Kunstgeschichte, Europäischen Ethnologie, Germanistik und Soziologie arbeitete dr. Brigitte Franzen in verschieden Museen in Franfurt, Karlsruhe, Graz und Münster. Sie war Kuratorin der Skulptur Projekte Münster 2007. Von 2009 bis 2015 war sie Direktorin des Ludwig Forums für Internationale Kunst in Aachen, wo ihr Name mit vielen erfolgreichen Ausstellungen, u.a. mit der dortigen Station des grossen gemeinsamen Projekts der Ludwig Museen Hyper Real verbunden war. Sie ist seit 2015 Vorstand der Peter und Irene Ludwig Stiftung. Dr. Brigitte Franzen ist auch als Autorin und Herausgeberin von wichtigen Fachpublikationen bekannt.
vom 1. März 2018
Am Dienstag den 6. März um 10:30 findet im Vortragssaal der Ungarischen Universität der bildenden Künste nach einer kurzen Begrüßung die Antrittsrede von Herrn Tobias Zielony, Gastprofessor der Peter und Irene Ludwig Stiftung statt.
Am Dienstag den 6. März um 13:30 wird das Programm bezüglich der Gastprofessur in der Doktorandenschule fortgesetzt. Nach der Begrüßung vom Prof. Zoltán Szegedy-Maszák Leiter der Doktorandenschule wird die Tätigkeit der Schule durch Herrn Balázs Kicsiny und Herrn Imre Lepsényi vorgestellt. Danach wird sich in einem internen Gespräch die Projektgruppe des Gastprofessors Herrn Zielonys konstituieren.
Am Mittwoch den 7. März um 10:30 beginnt die Sitzung des Auswahlkomitees. Im Verlauf der Sitzung wird über die Vergabe des Peter und Irene Forschungsstipendiums entschieden.
Mitglieder des Auswahlkomitees sind:
Frau Dr. Brigitte Franzen, Vorstand der Peter und Irene Ludwig Stiftung Aachen,
Herr Tobias Zielony, amtierender Gastprofessor der Peter und Irene Ludwig Stiftung
Frau Prof. Judit Csanádi und Herr Prof. Zoltán Szegedy-Maszák in Vertretung der Doktorandenschule.
Eingeladener Komitee-Mitglied ist Herr Attila Szücs, freischaffender Künstler.
Weitere Anwesende ohne Stimmenrecht sind:
Frau Reka Szücs, Sekretärin der Doktorandenshule für die Protokollführung
Frau Prof. Valeria Sass Projekbeauftragte
Eine der zentralen Aufgaben der Ungarischen Universität der bildenden Künste ist die kontinuierliche Erweiterung der Lehre und die damit zusammenhängende Pflege von internationalen Beziehungen.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist der wichtigste internationale Kooperationspartner und Förderer der Universität die Peter und Irene Ludwig Stiftung mit Sitz in Deutschland.
Dem Sammler und Mäzen Peter Ludwig (1925-1996) wurde 1988 der Ehrendoktor der Ungarischen Universität der bildenden Künste verliehen. Zu seinen Lebzeiten schloss er mit dem Rechtsvorgänger der Universität, mit der Hochschule der bildenden Künste, eine Vereinbarung über die langfristige Förderung der Studierenden des graduellen Bildungbereiches ab. Im Rahmen dieser Vereinbarung können sich Studierende für das Reisestipendium der Peter und Irene Ludwig Stiftung bewerben.
Zur Ungarischen Universität der bildenden Künste gehört die Doktorandenschule. Für eine umfassende Ausbildung der Studierenden ist eine Forschungstätigkeit im Bereich der internationalen Gegenwartskunst unerlässlich. Um die Möglichkeiten einer Forschungstätigkeit auch im Ausland zu gewährleisten, wandte sich die Leitung der Universität im März 2017 mit Förderanträgen an die Peter und Irene Stiftung Aachen, mit der Bitte um finanzielle Unterstützung von zwei Projekten:
Das Kuratorium der Peter und Irene Ludwig Stiftung hat in seiner Sitzung im Mai 2017 beschlossen, die beiden Vorschläge der Ungarischen Universität der Bildenden Künste zu bewilligen. Die Projekte werden über einen Zeitraum von fünf Jahren finanzielle Mittel erhalten.
Am 17. Oktober 2017 um 11 Uhr findet im Sitzungssaal der Universität die feierliche Unterzeichnung des Vertrages zur Realisierung und Zusammenarbeit statt. Dr. Brigitte Franzen, Vorstand der Peter und Irene Ludwig Stiftung, sowie die Rektorin Prof. Judit Csanádi werden dann den Vertrag abschließen.
Ziel dieser Förderung ist es, die internationalen Verbindungen der Ungarischen Universität der Bildenden Künste zu erweitern und damit einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Studierenden zu leisten.
Die Leitung der Ungarischen Universität der Bildenden Künste bedankt sich recht herzlich für die großzügige ideelle und materielle Unterstützung der Peter und Irene Ludwig Stiftung.
© Peter und Irene Ludwig Stiftung